Viele Organisationen folgen noch immer einem impliziten Menschenbild, das Mitarbeitenden erst dann etwas zutraut, wenn sie es „bewiesen“ haben. Kontrolle ersetzt Vertrauen, Steuerung ersetzt Dialog, Prozesse ersetzen Verantwortung. Doch gerade in komplexen, dynamischen Umfeldern wirkt dieses Denken wie eine Wachstumsbremse – besonders in der Steuerberatung.
Ein negatives Menschenbild erzeugt Misstrauen, Demotivation und eine Kultur der Angst. Es macht Mitarbeitende klein, anstatt sie groß zu machen. Der Preis dafür ist hoch: fehlende Eigeninitiative, geringe Innovationskraft, hohe Fluktuation und stille Kündigung.

Foto: Philipp Arnold, Berlin
Selbstorganisation ist kein Selbstzweck
Selbstorganisation wird oft missverstanden – entweder als Laissez-faire oder als Effizienztool. Doch beides greift zu kurz. Selbstorganisation ist eine notwendige Antwort auf eine komplexe Umwelt, nicht ein Mittel zur Kostenersparnis.
In der Steuerberatung, wo viele Tätigkeiten an Genauigkeit und Routine gebunden sind, wird schnell übersehen, wo neue Wertschöpfung entsteht: dort, wo Menschen mitdenken, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, Neues ausprobieren.
Das gelingt nur, wenn Strukturen es ermöglichen. Wenn Prozesse nicht das Denken ersetzen, sondern es fördern. Wenn Führung nicht kontrolliert, sondern klärt, ermöglicht und einlädt.
Führung durch Vertrauen
Eine zukunftsfähige Führungslogik setzt auf ein positives Menschenbild. Sie traut Mitarbeitenden zu, Verantwortung zu übernehmen – und schafft die Bedingungen dafür: klare Ziele, transparente Rollen, Ressourcenverfügbarkeit und eine lernorientierte Feedbackkultur.
Future Leadership heißt: Wir schaffen nicht Kontrolle über Menschen, sondern Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Selbststeuerung.
Führungskräfte werden zu Möglichmachern, nicht zu Kontrolleuren. Sie gestalten Räume, in denen Selbstorganisation gelingt und psychologische Sicherheit kein Schlagwort bleibt, sondern gelebte Praxis.
Sinn, nicht nur Zweck
Sinn ist mehr als Motivation. Sinn stiftet Tiefe, Richtung und Orientierung. Menschen wollen nicht nur produktiv, sondern wirksam sein. Wenn unklar bleibt, warum Arbeit wichtig ist, entsteht Zynismus oder innere Kündigung.
Gerade in der Steuerberatung, wo Routinearbeit dominiert, braucht es Führung, die Perspektive gibt – jenseits der Paragrafen.
Ohne neues Menschenbild kein New Work
Wer über Selbstorganisation, Eigenverantwortung oder Agilität spricht, aber im alten Steuerungsdenken bleibt, blockiert Entwicklung. New Work ist kein Methodenkoffer, sondern ein Paradigmenwechsel – einer, der beim Menschenbild beginnt.
Das bedeutet nicht, alles über Bord zu werfen. Aber es bedeutet, bewusst zu gestalten: Räume zu öffnen, Verantwortung zu ermöglichen, Sinn zu schaffen. Kontrolle wird nicht reflexhaft eingesetzt, sondern bewusst – und Vertrauen wird zur betrieblichen Ressource.
Nicht weniger Führung, sondern andere
Die Steuerberatung braucht Führung – aber nicht als Steuerung, sondern als Klärung, Ermöglichung und Orientierung. Zusammenarbeit entscheidet heute nicht nur über Effizienz, sondern über Zukunftsfähigkeit.
Die gute Nachricht: Führung lässt sich neu denken. Und gestalten.
Serie „Neue Arbeitswelt in der Steuerberatung“ – Folge 17
